Die O2-Arena bezwingt den zarten Bären

In London bot sich bereits vor dem Konzert in Berlin die Möglichkeit, GRIZZLY BEAR live zu beäugen und –öhren. So geschehen am Montag, 22. Oktober in der O2-Academy in Brixton. Das Konzert war ausverkauft, die Vorband VILLAGERS habe ich leider verpasst, der Umbau ging zügig und dann ging es auch schon los.

Unter tosendem Jubel betritt der vierköpfige GRIZZLY BEAR die Bühne, verstärkt durch den Live-Keyboarder/Pianisten Aaron Arntz. An die Instrumente und los geht es mit „Speaking in Rounds“ – doch was ist das? Die Snare-Drum haut mir erstmal mit jedem Schlag das Trommelfeld weg. Im selben Moment schneidet sie so natürlich auch die Lead-Gitarre und Teile des Gesangs ab. Die Keyboards und der klare Gitarren-Sound sind annehmbar, aber kommen nicht gegen das Schlagzeug an, der verzerrte Sound liefert sich mit der Snare einen Wettkampf um Tinnitus-Status. Doch Sieger in der Kategorie schmerzhafte Tonfrequenz wird dann Ed Droste’s Mikrofon, sobald er aus vollem Hals hohe Töne singt – und dabei klingt das so schön, aber es ist einfach zu laut. Der Bass matscht übrigens irgendwo undefiniert im Hintergrund mit. Was für ein beschissener Soundmix!

Nach dem zweiten Song wird kurz verraten, dass Ed Droste seinen Geburtstag hat, und spontan stimmt der ganze Saal ein „Happy Birthday“ an. Mit großartiger Stimmung und fatalem Sound geht es in einer wundervollen Setlist weiter: „Sleeping Ute“, „Yet Again“, „A simple answer“, dann ist sogar das grandiose „Shift“ vom Debüt-Album Horn of Plentyaus dem Jahr 2002 mit dabei, dann ein wenig Veckatimest mit „While You Wait for the Others“, „Cheerleader“, „Southern Point“ und „Two Weeks“, dann wieder Shields mit „Gun-Shy“, „The Hunt“ und „What’s Wrong“ und zum Abschluss das wunderschöne, epische „Sun In Your Eyes“ vom aktuellen Album. Aber wenn Multi-Instrumentalist Chris Taylor seine Klarinette hier und da auspackt, dann könnte er auch die Kakophonie in As-Dur spielen oder einfach nichts – den Unterschied hätte keiner gehört.

Die starken Stellen sind dann die kurzen a cappella-Momente zu Beginn oder im Fade-Out mancher Stücke. Auch die Zugaben sind großartig, da teilweise akustisch und nur mit Percussion. Denn wenn das Schagzeug nicht gnadenlos alle Feinheiten niederknüppelt, dann kommt tatsächlich die andächtig melancholische Stimmung dieses wundervollen Männerchors auf. Ach ja … wenn irgendwie schon O2 drauf steht. Das wäre für mich normalerweise ein Warnschild, nicht hinzugehen – aber die Academy in Brixton ist ein sehr angenehmer und normalerweise soundtechnisch guter Veranstaltungsort. Und 24 Pfund für ein Ticket zahlt mensch doch, weil erwartet werden darf, dass dank Geld und angeschaffter Technik ein Sound möglich ist, den nicht mal die 5.1 Dolby Surround Stereoanlage zu Hause hergeben würde, wenn sie denn existierte. Gäbe es eine Moral im Musikbusiness, dürfte mensch ihr Geld nach diesem Abend zurückfordern.

Fazit: Ich glaube, die Jungs waren gut drauf, sind sehr präsent und bringen ihre Songs live in der Tat stark zum Leben – aber so wirklich viel hören konnte ich davon leider nicht. Hoffen wir, das Astra in Berlin hat da mehr Fingerspitzengefühl.

(Diese Rezension erschien zuerst auf Popmonitor.berlin.)

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GRIZZLY BEAR & Special Guest
Mittwoch, 31.10.2012 | ASTRA Kulturhaus
Doors 21:00 | Tickets: 23,70 Euro

GRIZZLY BEAR
Shields
(WARP / Roughtrade)
VÖ: 14.09.2012

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